Bewerber sind keine Bittsteller
„Nun, da sich der Vorhang der Nacht von der Bühne hebt, kann das Spiel beginnen, das uns vom Drama einer Kultur berichtet.“ Reise zurück in das Jahr 1999 mit dem Titelsong von Die Fantastischen Vier.
Wer von Euch kennt das nicht? Hoffnungsvoll und hoch motiviert hast Du Deine Bewerbung abgeschickt. Eine Eingangsbestätigung? Fehlanzeige! Ein Zwischenbescheid (mit der Bitte um etwas Geduld). Zeitvergeudung! Zeitnahe Absage nach der ersten Sichtung? Machen wir ganz zum Schluß! Wertschätzend formulierte Absage? Reiner Luxus!

Lea-Sophie steigt mit feuchten Augen in Bad Cannstatt spät abends aus dem Zug. Ist es Trauer oder Wut? Rückblende: Lea-Sophie lernt Tim in Dortmund bei der BOE International kennen. Es funkt sofort. Problem war nur, sie arbeitete in Stuttgart, er in Hamburg. Da Tim einen gut bezahlten Job bei Hamburg Tourismus hatte, entschied Lea-Sophie, ihren Agentur-Job in Stuttgart zu kündigen und sich in Hamburg zu bewerben. Damit nimmt das Drama seinen Lauf.
Prolog: Lea-Sophie erstellt eine Liste mit 10 Agenturen, die passende Ausschreibungen als Projektleiterin gepostet hatten bzw. zur Initiativbewerbung aufforderten.
- Akt: Die postwendenden Antworten lauteten „die Ausschreibung ist nicht mehr aktuell“ und „der laufende Bewerbungsprozeß ist in der Endphase“.
- Akt: Nach 10 Tagen machte Lea-Sophie ein Follow-up mit dem Ergebnis, daß zum einen die Vakanz nicht mehr aktuell war. Bei einer anderen Agentur hatte gerade die Zuständigkeit gewechselt, man würde sich melden. Und – hurra – zwei Einladungen zu einem Video-Call. Nach 14 Tagen standen noch immer drei Reaktionen aus, Lea-Sophie hakte das enttäuscht ab. Aus beiden Video-Calls wurden zwei persönliche Einladungen.
- Akt: Das erste Interview verlief sehr positiv, man kündigte ein Vertragsangebot an. Lea-Sophie favorisierte aber eigentlich die andere Agentur. Drei Tage später saß sie wieder im ICE nach Hamburg. Kurz hinter Kassel-Wilhelmshöhe klingelte ihr Handy. „Es tut uns schrecklich leid, aber wir müssen das Interview verschieben. Unser Geschäftsführer mußte ganz plötzlich zu einem wichtigen Kunden. Sind Sie schon unterwegs?“ Lea-Sophie war völlig entgeistert und sprachlos wegen der scheinheiligen Frage. Wortlos drückte sie auf den roten Hörer (nach einer wahren Begebenheit).
Epilog: In Zeiten des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels ist eine andere Kultur angesagt: Behandle Bewerber wie potenzielle NEUKUNDEN!
Keep on rockin‘