Job-Wechsel und andere Abenteuer – Episode 24

7. November 2024

Ohne Netz und doppelten Boden

Reise zurück in das Jahr 2016 mit dem Titel-Song von Udo Lindenberg

(Nach einer wahren Begebenheit) Vanessa spürte, daß der nächste Satz ihr Leben verändern würde: „Es reicht mir jetzt, ich kündige!“ platzte es aus ihr heraus. Ihr Chef blickt sie entgeistert an, so fuchsteufelswild hat er die sonst so zurückhaltende Vanessa noch nicht erlebt. Ein jahrelanger Frust hatte sich Bahn gebrochen, sie fühlte sich in dem Moment stark wie eine Löwin, obwohl sie nichts Neues hatte. Dies ist ihre Geschichte.

Vanessa startete als Werkstudentin in einer Münchner Kongress-Agentur mit Domizil im Vorort Grünwald. Obwohl ihre Liebe eigentlich der Soziologie galt, begeisterte sich mehr und mehr für die Organisation von wissenschaftlichen Veranstaltungen. Die Sympathie war gegenseitig und so begann die zweite Phase ihrer Beschäftigung, nun als Junior-Projektmanagerin, allerdings deutlich unterbezahlt (was sie nicht wußte).

Auf die „schiefe Bahn“ geriet die Agentur als Agiles Projektmanagement eingeführt wurde. Von Führung konnte man vorher schon kaum sprechen, es herrschte Laissez-faire. Nun aber hatte die Führungsetage ein Alibi, die Teams sich selbst zu überlassen. Remote-Arbeit und der vermehrte Einsatz von Freelancern während der Corona-Epidemie taten ein Übriges. Die Stimmung sank auf den Nullpunkt.

Vanessa studierte sporadisch den Stellenmarkt, aber regelmäßig entschied sie sich gegen eine Bewerbung. Aus einer Mischung von Bequemlichkeit, Bewerbungsangst, innerem Rückzug und Loyalität zu den Kollegen (ein gefährlicher Klebstoff). Im Jahresgespräch erhielt sie stets schwammige Antworten auf ihre Frage nach Entwicklungsperspektive. Zuletzt nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und fragte nach einer Beförderung, sie wäre schließlich 6 Jahre dabei. Zu ihrer Verwunderung wurde das bewilligt, nunmehr ihre dritte Etappe. Die damit verbundene Gehaltserhöhung war eher eine Frechheit. Aber sie schluckte auch diese Kröte.

Nun zurück zum Ausgangspunkt. Vanessa wollte endlich ihren Marktwert wissen, was ihr eigentlich als Senior-Projektmanagerin finanziell zustand. Die typisch deutsche Geheimniskrämerei um das eigene Gehalt hatte sie gründlich satt. Sie fragte sie die Kollegin, mit der sie es am besten konnte und – fiel aus allen Wolken. Nicht 10%, nicht 20%, sondern 25% verdiente die mehr. Am nächsten Tag stand sie auf der Matte. Der Rest ist bekannt.

Abends telefonierte sie mit ihrem Vater und erzählte von ihrer Heldentat. „Ich bin stolz auf Dich! Du hast endlich den Rücken geradegemacht!“ In den nächsten Tagen bewarb sie sich auf verschiedene Stellen. Die Ungewißheit machte ihr zunächst wenig aus, aber je länger es dauerte, desto schlechter schlief sie. Nervös rechnete sie aus, wie sie die drei Monate Sperre beim Arbeitslosengeld überbrücken könne.

Trotz allem – sie bereute ihre impulsive Kündigung keine Sekunde. Einen Monat später hatte sie einen neuen Job.

Keep on rockin‘

Abb: DALL E3