Job-Wechsel und andere Abenteuer – Episode 19

3. Juli 2024

Learning to fly

Nürnberg fühlt sich im Vergleich zu München oft als Underdog. Zu Unrecht! Historie und Moderne, Sportangebot und Natur verbinden sich zu einer Wohlfühlstadt. Die Stadt der Meistersinger, von Max Morlock, Albrecht Dürer, Lebkuchen und Rostbratwürstchen muß sich wirklich nicht verstecken. Das gilt auch für den Catering-Betrieb, in dem die nächste Episode spielt.

Lutz ist Mitglied der Geschäftsleitung bei Pinguin Party-Service, Marktführer Messe- und Event-Catering in der Metropolregion Nürnberg. Ein Familienbetrieb, 25 Jahre Firmenhistorie, über 200 Mitarbeiter. Der Generationswechsel in der Geschäftsleitung erfordert eine Neuaufteilung der Ressorts.

Bei einem Klausur-Meeting in der Familien-Villa, wunderschön an der Pegnitz gelegen, treffen sich Vater Wilhelm, der nominell die Geschäftsführung inne hat, Tochter Elisabeth, Sohn Jörg und Lutz, der als Einziger nicht zur Familie gehört.

Lutz ist ausgebildeter Fachmann für Veranstaltungsgastronomie und seit 10 Jahren dabei. Er verantwortet bisher Einkauf und Produktion. Weitere Ressorts sind Verkauf mit Marketing/PR, Verwaltung/IT sowie Personal/Service/Logistik. Lutz genießt im Betrieb hohes Ansehen durch seine Fachkompetenz, Loyalität und seine zugewandte Art. Er vermeidet gern Konflikte und konnte sich gegen Wilhelm selten durchsetzen.

Elisabeth ist Papas Liebling, blitzgescheit und sehr von sich überzeugt. Sie ist frisch gebackener Master of Business Administration, den sie in St. Gallen erworben hat. Jörg ist gelernter Koch und Fachmann für System-Gastronomie. Nach einer längeren Station bei aramark möchte er nun in den Familienbetrieb einsteigen. Jörg ist rhetorisch versiert und weiß, was er will.

Lutz ist klar, daß er schlechte Karten hat und geht mit einem mulmigen Gefühl in die Verhandlung. Wilhelm kommt ohne Umschweife zur Sache. “Wir stellen heute die Weichen für die Zukunft unserer Firma. Ich erwarte von Euch, daß persönliche Ambitionen zurückstehen und wir die Aufgaben so verteilen, wie es für die Firma am besten ist.“ Lutz kritzelt auf seinen Schreibblock „Keine Macht für Niemand“.

Die Diskussion beginnt, der Appell verhallt ungehört. Jörg reklamiert für sich Einkauf und Produktion. Elisabeth hat gute Argumente für Verkauf mit Marketing/PR, will aber auch für Personal zuständig sein. Bleibt für Lutz Verwaltung/IT, Service/Logistik. Die Diskussion wogt hin und her, Lutz kämpft vergeblich für seine bisherige Zuständigkeit. Papa Wilhelm entscheidet zugunsten seiner Kinder, denn Blut ist dicker als Wasser.

Lutz geht erschöpft nach Hause, er fühlt sich wie durch den Wolf gedreht. Ihm schwant, daß er an seinem neuen Ressort wenig Freude haben wird. Er war mit Herz und Seele für die Produktion und den Einkauf verantwortlich. Das war seine Welt, da wer auch richtig gut. Den Gedanken an Kündigung wischt er schnell beiseite. Er will sich durchbeißen.

Nach 6 Monaten intensiver Einarbeitung in die neue Materie, zahllosen Einzelgesprächen und Abteilungs-Meetings fühlt Lutz sich ausgelaugt. Er leidet unter Schlaflosigkeit, Angstgefühlen, hohem Blutdruck und Erschöpfung. Sein Hausarzt zieht ihn aus dem Verkehr mit Verdacht auf Burnout und einer leichten Depression.

Ein gescheiterter Job-Wechsel. Mit Verlierern auf beiden Seiten. Was lernen wir daraus? In der Event-Branche gibt es hauptsächlich inhaber-geführter Betriebe. Die Nachfolge in der Geschäftsleitung und der Einstieg der nächsten Generation ins Unternehmen sollten von langer Hand vorbereitet sein. Elternliebe sollte nicht blind machen.

Keep on rockin‘

ABB: DALLE3